
Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen
Der Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Jahren erheblich an Dynamik gewonnen. Die Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) verfolgt das Ziel, NRW zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu entwickeln. Ein zentraler Baustein dieses Vorhabens ist die Förderung erneuerbarer Energien, insbesondere der Windkraft.
Aktueller Stand des Windenergieausbaus in NRW
Im Jahr 2024 verzeichnete NRW einen bemerkenswerten Anstieg bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen. Im ersten Halbjahr wurden 228 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1.336 Megawatt genehmigt, was mehr als ein Viertel aller bundesweiten Genehmigungen ausmacht. Damit liegt NRW im Ländervergleich deutlich vor Niedersachsen (684 MW), Schleswig-Holstein (649 MW), Brandenburg (499 MW) und Mecklenburg-Vorpommern (404 MW). Diese Zahlen spiegeln den Erfolg der Landesregierung wider, bürokratische Hürden abzubauen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Die installierte Leistung der Windenergieanlagen in NRW betrug bis Juli 2024 insgesamt 7.417 MW, verteilt auf 3.799 Anlagen. Seit Beginn der Legislaturperiode im dritten Quartal 2022 wurden bis Juli 2024 bereits 240 neue Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Zusätzlich lagen zu diesem Zeitpunkt Genehmigungen für weitere 672 Anlagen vor. Diese Entwicklungen zeigen, dass NRW auf einem guten Weg ist, das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel zu erreichen, bis 2027 die Voraussetzungen für den Bau von mindestens 1.000 neuen Windenergieanlagen zu schaffen.
Herausforderungen und Maßnahmen der Landesregierung
Trotz des positiven Trends steht die Landesregierung vor Herausforderungen. Ein unerwünschter Nebeneffekt des beschleunigten Ausbaus ist die steigende Zahl von Anträgen für Windenergieanlagen außerhalb der künftig vorgesehenen Vorranggebiete. Bislang liegen rund 1.500 solcher Anträge vor, insbesondere in den Regionen Arnsberg, Höxter, Paderborn, Detmold und im Münsterland. Diese Regionen bieten aufgrund ihrer topographischen Besonderheiten ein erhebliches Potenzial für den Ausbau von Windkraftanlagen. Eine unkontrollierte Entwicklung aufgrund der Vielzahl von Anträgen außerhalb der vorgesehenen Konzentrationsflächen könnte zu Akzeptanzverlusten in der Bevölkerung führen. Um dem befürchteten Wildwuchs entgegenzuwirken, betont Wirtschaftsministerin Mona Neubaur die Notwendigkeit einer geordneten und rechtssicheren Steuerung der Windenergie. Um den Kommunen nun wieder Steuerungsinstrumente an die Hand zu geben, erließ die Landesregierung ein Gesetz, nach dem die Genehmigung von Anträgen für Windkraftanlagen außerhalb von Konzentrationsflächen ausgesetzt werden konnte. Diese Regelung stand jedoch im Widerspruch zu höherrangigem Bundesrecht. Infolgedessen verfügen die Genehmigungsbehörden aktuell über keinerlei Steuerungsinstrumente. Die Landesregierung setzt sich daher für eine pragmatische Lösung auf Bundesebene ein.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Ausweisung von 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen bis 2032, wie es das Bundesgesetz vorsieht. Aktuell werden sechs Regionalpläne überarbeitet, um dieses Ziel zu erreichen. Diese Pläne betreffen die Regionen Arnsberg, Köln, Detmold, Münster, Düsseldorf sowie das Verbandsgebiet des Regionalverbands Ruhr (RVR). Die Fertigstellung der Regionalpläne ist für dieses Jahr vorgesehen. In der Übergangszeit besteht jedoch die Herausforderung, den Wildwuchs von Windkraftanlagen zu verhindern und gleichzeitig den Ausbau nicht zu bremsen.
Windgipfel zur Steuerung des Windenergieausbaus
Am 10. Januar 2025 fand auf Einladung der Landesregierung in Essen der von den kommunalen Spitzenverbänden angeregte Windgipfel statt. An diesem Spitzentreffen nahmen unter anderem die stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Umweltminister Oliver Krischer, der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Dr. Nathanael Liminski, sowie Vertreter der kommunalen Spitzenverbände teil. Ziel der Veranstaltung war es, die Strategie der Landesregierung zur Steuerung des Windenergieausbaus vorzustellen und gemeinsam mit den Kommunen Lösungsansätze zu diskutieren.
Der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW (StGB NRW), Bürgermeister Prof. Dr. Landscheidt, betonte die Notwendigkeit eines rechtssicheren Instruments zur Steuerung von Windenergieanlagen. Insbesondere müsse es möglich sein, Anträge außerhalb der geplanten Windenergiegebiete bis zur Feststellung der Flächenbeitragswerte rechtssicher zurückstellen zu können. Er begrüßte daher den Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 17. Dezember 2024 und forderte die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene parteiübergreifend dafür einzusetzen.
Gerichtliche Entscheidung zu Genehmigungsstopps
Kürzlich hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass die Bezirksregierung Arnsberg eine Genehmigung für eine Windkraftanlage in Werl zu Unrecht gestoppt hat. Die Betreiberfirma hatte im September 2023 eine Genehmigung beantragt, die grundsätzlich genehmigungsfähig erschien. Später entschied die Bezirksregierung jedoch, das Verfahren – zugunsten der überregionalen Planung durch Ausweisung von Konzentrationsflächen – für ein Jahr auszusetzen. In diesen Flächen würden dann vorrangig Windkraftanlagen errichtet werden, in anderen Bereichen dafür wiederum nicht. Begründet wurde dies mit einer neuen Regelung, die vorsieht, Genehmigungen zu stoppen, wenn sie die überregionale Planung von Windkraftgebieten behindern könnten.
Das Gericht erklärte die Entscheidung jedoch für rechtswidrig. Es argumentierte, dass das Bundes-Immissionsschutzgesetz Vorrang vor dem Landesrecht habe und dass die Windkraftanlage die Planungen gar nicht behindern würde. Außerdem sei die Entscheidung der Behörden nicht gut genug begründet worden. Das Urteil ist betrifft wohl auch weitere Fälle: Derzeit sind noch 17 ähnliche Verfahren anhängig, die rund 50 Windräder betreffen.
Zukünftige Entwicklungen und Ziele
Die Landesregierung plant, die Leistung von Wind- und Solaranlagen bis 2030 zu verdoppeln. Zudem sollen wasserstofffähige Gaskraftwerke als Ergänzung zu erneuerbaren Energien gebaut und die Stromsteuer gesenkt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Diese Maßnahmen sind Teil eines umfassenden Plans, NRW zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen. Allerdings könnten fehlende Maßnahmen oder mangelnde Unterstützung des Bundes zu steigenden Strompreisen führen, was die Akzeptanz der Energiewende beeinträchtigen würde.
Aktuelle Entwicklungen auf Bundesebene
SPD, Grüne und Union haben sich nach langen Verhandlungen auf eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geeinigt, um unkontrollierten Windenergieausbau zu verhindern. Der Bundestag soll nunmehr darüber abstimmen. Ziel ist es, zu verhindern, dass Windräder auf Flächen errichtet werden, die nicht in den Landesentwicklungsplänen vorgesehen sind.
Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE) kritisiert den Kompromiss von Union, SPD und Grünen zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, der einen drohenden Wildwuchs beim Windenergieausbau verhindern soll. LEE-Vorsitzender Hans-Josef Vogel sieht darin ein fatales Signal für das Energieland NRW und befürchtet eine Abwürgung des Ausbaus.
Der Städte- und Gemeindebund NRW begrüßt den Gesetzentwurf von CDU, SPD und Grünen zur besseren Steuerung des Windenergieausbaus, fordert jedoch Nachbesserungen. Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, betont die Notwendigkeit einer Korrektur, um den aktuell drohenden Wildwuchs beim Ausbau zu verhindern und den Zuwachs in geordnete Bahnen zu lenken.
Sommer kritisiert, dass der Gesetzentwurf nur die Hälfte der 1500 vorliegenden Anträge auf Windräder außerhalb der vorgesehenen Windenergiebereiche erfasst. Dadurch könnten noch immer 750 zusätzliche Anlagen an ungeeigneten Standorten entstehen, was sowohl die Akzeptanz in der Bevölkerung gefährden als auch den geordneten Ausbau behindern könnte.
NRW sei im Vergleich zu anderen Bundesländern bereits fortschrittlich und werde das bundesweite Ziel von 1,8 % Windenergiebereichen bis 2030 bereits sieben Jahre früher erreichen. Dennoch sei ein weiterer unkontrollierter Ausbau nicht vertretbar. Die Regionalpläne sollten weiterhin den Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung vorgeben.
Aktuelle Entwicklungen auf Landesebene
CDU und Grüne haben sich auf Landesebene auf eine Änderung des Landesplanungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LPlG) verständigt, um die Planung und Steuerung des Windenergieausbaus zu verbessern. Dazu wird ein neuer § 36 eingefügt, der eine allgemeine Untersagung von Entscheidungen über Windenergievorhaben außerhalb geplanter Windenergiegebiete vorsieht, solange entsprechende Raumordnungspläne in Aufstellung sind. Diese Untersagung ist auf sechs Monate begrenzt und dient dazu, die raumordnerische Konzentrationswirkung zu sichern. Ausnahmen gelten für Repowering-Vorhaben und Projekte, für die bis zu einem bestimmten Stichtag vollständige Genehmigungsunterlagen vorlagen. Zusätzlich kann eine Befreiung von der Untersagung gewährt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Planung nicht gestört wird.
Die Regelung reagiert auf die steigende Anzahl von Anträgen für Windenergievorhaben außerhalb geplanter Gebiete, die die Planungsgrundlagen der Raumordnungspläne gefährden. Sie zielt darauf ab, den Ausbau der Windenergie geordnet und im Einklang mit naturschutzrechtlichen sowie kommunalen Belangen voranzutreiben. Der Antrag hebt hervor, dass die Regelung rechtlich zulässig ist, da sie in den Zuständigkeitsbereich des Landes fällt und nicht mit Bundesrecht kollidiert.
Durch die Befristung und die vorgesehenen Ausnahme- und Befreiungsregelungen bleibt die Planung flexibel, wobei die Durchführung der Raumordnungsziele Vorrang hat. Die Änderung soll sicherstellen, dass der Ausbau der Windenergie nachhaltig und gesellschaftlich akzeptiert bleibt.