"Kein Verständnis mehr"
"Kein Verständnis mehr"
Dr. Gerd LANDSBERG vom Städte- und Gemeindebund sieht einen Fehler darin, sich bei der Arbeitszeit nicht häufiger am Osten zu orientieren. Interview mit der Thüringer Allgemeine Zeitung (22.03.2006)
?Ein Fehler ist, dass wir uns nicht häufiger am Osten orientieren?, sagte Dr. Gerd Landsberg, 53, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Frage: Ist es purer Machtkampf, wenn es für Verdi oder die Arbeitgeberseite nur noch um Minuten geht?
Landsberg: Natürlich ist jeder Tarifkonflikt ein Machtkampf. Für diesen haben aber jetzt die Bürger kein Verständnis mehr, wenn es tatsächlich nur noch um Minuten geht. Ich hoffe, dass man sehr schnell an den Verhandlungstisch zurück kehrt, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es muß eine Lösung sein, bei der beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Aber klar ist, dass sich Verdi bewegen muß. Verdi muß sich auch überlegen, dass mit einem länger dauernden Streik der Druck auf die Kommunen für Privatisierungen und für einen beschleunigen Personalabbau im Öffentlichen Dienst größer wird.
Frage: Wie groß war bisher schon der Privatisierungsdruck?
Landsberg: Seit 1992 haben die Kommunen rund 560.000 Arbeitsplätze abgebaut. Die sind nicht weggefallen, die sind zu einem erheblichen Teil privatisiert worden. Wir haben in vielen Ländern die Bestrebung, die Privatisierung zu verstärken, nicht, weil man glaubt, dass es immer besser sei, sondern häufig auch, weil man einen kurzfristigen Sanierungserfolg haben will.
Frage: Brauchen Länder differenzierte Lösungen, zumal der Osten diese ganze Diskussion kaum versteht?
Landsberg: Das wird darauf hinauslaufen, weil wir auch schon jetzt differenzierte Lösungen haben. Im Osten hat man immer 40 Stunden gearbeitet. Ein Fehler aus meiner Sicht, den wir viel zu häufig machen besteht darin, dass wir uns nicht häufiger am Osten orientieren.
Frage: Hat Verhandlungsführer Möllring für die Arbeitgeberseite bisher schlecht verhandelt?
Landsberg: Die Verhandlungsführung sehe ich nur vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlkämpfe. Ob Möllring oder ein anderer, alles wird vorher abgesprochen. Er steht nicht alleine da um zu sagen, so jetzt zeigen wir es mal den Gewerkschaften. Da finden vorher detaillierte Absprachen statt, welche Position man wie vertritt. Und auch Verdi versucht, sich in Position zu bringen.
Frage: Was droht notfalls den klammen Städten und Kommunen?
Landsberg: Die Finanzlage ist nach wie vor dramatisch. Wir bezahlen schon
jetzt einen Großteil unseres Personals aus Krediten. Es ist uns zwischen gelungen dem Bürger klar zu machen, dass die meisten Kommunen finanziell aus dem letzten Loch pfeifen, und dass wir deswegen keine Spielräume haben.
Frage: Wohin führt ein Streik, in dem Verdi die ?Arbeitgeber finanziell schädigen? will?
Landsberg: Die Gewerkschaft sieht, dass sie die Mehrheit der Bürger bei diesen Streikaktionen nicht mehr hinter sich hat. Aus diesem Grunde will Verdi jetzt die Streikschwerpunkte verlagern. Bisher wurden die Müllabfuhr oder auch die Kindergärten bestreikt. Jetzt versucht man den anderen Weg, zum Beispiel Abrechnungsvorgänge zu stören.
Frage: Was halten Sie vom Austritt aus der Tarifgemeinschaft der Länder, wie einige Ministerpräsidenten vorschlagen?
Landsberg: Ich hoffe nicht, dass es zu einem Auseinanderfallen der Tarifgemeinschaft kommt. Es vereinfacht natürlich für alle Beteiligten, sowohl für die Gewerkschaften als auch für die Arbeitgeberseite das Verfahren, wenn die grundlegenden Dinge gemeinsam für alle vereinbart werden. Ich schließe aber nicht aus, dass es am Ende zu diesem Auseinanderfallen kommt.
(Das Gespräche führte Evi Keil)
© DStGB, Berlin, 01.02.2006